Der Klangkubus
Ein Klangkunstprojekt von Johannes Kotschy.
Dass die Welt der Töne sich nicht allein auf die zwölf temperierten
Halbtöne, wie wir sie vom Klavier her kennen, beschränkt – das ist uns
Europäern erst mit dem Kennenlernen exotischer Klänge der so genannten
"außereuropäischen Musik" richtig vertraut geworden. Überall auf der
Welt wird musiziert, und oft in ganz anderen Tonsystemen. Ergänzt mit
unseren gewohnten Tonstufen ergeben sie ein Geflecht von vielen
Mikrotönen, deren Systematisierung noch aussteht.
Der Komponist Johannes Kotschy ist der Ansicht, dass die
unterschiedlichen Tonsysteme einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben
müssen, und er sieht ihn in der physikalisch gegebenen Naturtonreihe,
wie sie bei jeder Schwingung einer Saite oder einer Luftsäule bei
Blasinstrumenten entsteht. Durch ihre Beziehung untereinander in
Tonverwandtschaften hat er ein Netz von Mikrotönen zusammengestellt, in
dem alle Töne in einem harmonischen Schwingungsverhältnis zueinander
stehen – hörbar gemacht mit einem Instrument aus feingestimmten
Messing-Röhrenglocken.
Der bei der ersten Biennale in Salzburg im erstmals
vorgestellte ‘Klangkubus’ enthielt 100 solcher Messingröhrenglocken mit einer
Länge von 80 bis 160 cm. Nebeneinander aufgehängt würden sie eine Wand
von 15 m Länge bedecken — deshalb wurden sie platzsparender in neun
Reihen in einer würfelförmigen Stahlkonstruktion untergebracht. Dieses
optisch eindrucksvolle Klangkunstobjekt hatte allerdings den Nachteil,
dass die innen liegenden Röhrenglocken nicht mehr auf herkömmliche Art
mit Hämmern angeschlagen werden konnten.
Der Komponist hat dieses Problem dadurch gelöst, dass die Röhrenglocken
nun mit Hilfe von Elektromagneten, von einem Spieltisch aus gesteuert
zum Klingen gebracht werden. Es hatte einer Reihe von Versuchen bedurft,
bis die geeigneten Hämmer und Anschlagstechniken gefunden waren: nach
einem Jahr intensiver Arbeit konnte nun der neue ‘Klangkubus’ am
im Sitzungssaal des ehemaligen Rathauses in Mondsee
im Salzkammergut mit neuer Spieltechnik vorgeführt werden.
Tatsächlich können mit diesem Instrument mit einem Umfang von 2 ½ Oktaven unterschiedlichste Tonskalen gespielt werden, pythagoräische und reine Stimmungen ebenso wie arabische Maqamat und javanische Slendro und Pelogskalen. Um mit dem Instrument effektvoller musizieren zu können, hat Johannes Kotschy noch einige technische Verbesserungen vor — so soll die Tastatur programmierbar und damit vereinfacht werden, und die Nachklänge der Röhrenglocken mit ihren stehenden präzisen Tönen durch Tonabnehmer verstärkt. Eine Erweiterung des Tonvorrats auf 4 Oktaven mit insgesamt 256 einzelnen Tönen wäre sein angestrebtes Ziel.

Begonnen hat Johannes Kotschy das Projekt im beim
Festival "Kraftklänge" auf dem Irrsee im Salzkammergut. Drei mit jeweils
13 Klangröhren bestückte pyramidenartige Türme wurden auf Boote
verbracht und vom See aus gespielt, und die mit Funkmikrofonen
übertragenen Töne auf einer Anlage am Ufer gemischt. Diese dabei
entstandenen neuartigen Klangkombinationen waren für den Komponisten der
Anlass, sich weiter mit den Klangtürmen zu beschäftigen —
sie wurden noch im gleichen Jahr beim Musikfest in Salzburg und in einer
bereits veränderten Form anlässlich der 20.10.2008 im Herbst 2008 im
Foyer der Universität Mozarteum Salzburg in Salzburg gezeigt. Doch erst mit dem
‘Klangkubus’ konnte schließlich ein vollständiges Instrument entstehen.
In gewissem Sinne stellt es eine Weiterentwicklung des von
Harry Partch in den 70er Jahren entworfenen und von
Dean Drummond in New York gebauten Zoomoozoophones dar, denn es
bezieht nicht nur die in unserem geläufigen Tonsystem nicht verwendeten
Septim- und 11er-Intervalle mit ein, sondern auch den 13. Naturton,
wodurch sich der Tonvorrat natürlich beträchtlich erhöht. Mit seinen 100
Röhrenglocken dürfte es heute wohl das weltweit größte Instrument seiner
Art sein.
Anders als bei Aluminiumröhren ist die Abstimmung der hier verwendeten Messingröhren, zur Verfügung gestellt von den DIEHL-Metallwerken, Röthenbach an der Pegnitz bei Nürnberg, von vielen Faktoren abhängig:
- von der Art der Legierung und dem spezifischen Gewicht,
- vom Durchmesser,
- von der Wandstärke,
- von der Rohrlänge
- und von der Bohrung (Schwingungsknotenpunkt).
Überraschend ist dabei der relativ einfache mathematische Zusammenhang zwischen Rohrlänge und Tonhöhe bei völlig gleich beschaffenen Rohren: das Verhältnis von den ein Intervall bildenden zwei Tonhöhen entspricht der umgekehrten Relation der Quadratwurzel der Rohrlängen. Dies ist fast analog zum Verhältnis schwingender Saiten oder Luftsäulen zu sehen — nur im Unterschied dazu gibt bei den Rohren die Quadratwurzel der Längenproportion den Ausschlag für die Tonhöhen.
Mit den so bemessenen Röhren lassen sich Obertonreihen auf 11 verschiedenen Grundtönen erzeugen, dazu auch 8 verschiedene Untertonreihen. Diese stehen natürlich im Zusammenhang mit dem Grundton des Instruments C: Die Dominante, Subdominante und die Wechseldominanten geben die Quintenreihe
B – F – C – G – D
mit ihren Obertönen, dazu kommen die Skalen der Ober- und Unterterz,
der Ober- und Unter-Naturseptim und die des 11. Ober- und Untertons.
Damit ist es aber noch nicht zu Ende: Weitere Metallröhren werden die
Gesamtzahl der spielbaren Töne zunächst auf 144 und schließlich zum
Abschluss des Projekts auf 256 erhöhen.
Da die Töne von einem Spieltisch aus gesteuert werden, wird es möglich
sein, unterschiedlichste Kombinationen aus 11 Obertonskalen zu erzeugen,
aber auch Kombinationen aus Unter- und Obertonreihen. Diese Klänge
werden absolut neu sein, denn mit Instrumenten konnten sie bisher noch
nicht dargestellt werden — allenfalls mit Hilfe der Computertechnik
ließen sich solche Klänge erzeugen. Ein Anlass, musikalisches Neuland zu
betreten!
Technische Daten
Größe des äußeren Kubus: | 2.84 × 2.84 × 2.84 m |
Größe des inneren Kubus: | 2 × 2 × 2 m |
Gewicht: | ca. 600 kg |
Länge der Messingröhren: | 76 - 160 cm |
Durchmesser: | je 55 mm |
Eingebaut sind: 700 m Kabel, 100 Elektromagneten mit Schaltern, und eigens dazu konstruierte Hammerschlägel.